PresseDKOU
Pressemitteilung zum DKOU 2021

Ein Präventionsgespräch, das jeder braucht, aber keiner nutzt

Pressekonferenz DKOU Dr. Flechtenmacher
© Intercongress

Dr. Johannes Flechtenmacher, Präsident des Berufsverbands für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU), unterstreicht auf der Pressekonferenz des DKOU (Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie) in Berlin die Bedeutung einer sportmedizinischen Aufklärung für die Prävention von Sportunfällen: „Verletzungen verursachen Leid und erhöhen das Risiko für eine spätere Arthrose. Wir müssen mehr für die Vermeidung von Sportverletzungen tun“, sagt der Experte. „Patientinnen und Patienten müssen über geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Verletzungsrisiken aufgeklärt werden. Männer und Frauen haben wegen ihrer unterschiedlichen Anatomie unterschiedliche Risiken.“ Der Experte ergänzt: „Männer und Frauen brauchen verschiedene Präventionsstrategien.“ Flechtenmacher beklagt in diesem Zusammenhang, dass die Aufklärung durch Fachärzte und Fachärztinnen unzureichend vergütet wird: „Ein Präventionsgespräch, das sein Ziel erreicht, entlastet das Gesundheitssystem durch weniger Sportunfälle und weniger Arthrosen, kostet aber Zeit.“ Der BVOU-Präsident fordert daher: „Der Nutzen einer guten sportmedizinischen Präventionsarbeit ist offensichtlich und muss angemessen honoriert werden!“

Verletzungen drohen, wenn Belastung und Belastbarkeit auseinanderdriften. In Deutschland treten jährlich rund 1,5 Millionen Sportunfälle auf, 53 Prozent davon im Verein, 47 Prozent beim Freizeitsport. 83 Prozent der Verletzungen müssen ärztlich behandelt werden. Die Gesamtkosten für diese Behandlungen werden auf circa 1,5 Milliarden Euro geschätzt. Flechtenmacher: „Wir haben zu viele unnötige Sportverletzungen.“

„Männer und Frauen müssen nicht unterschiedlich behandelt oder operiert werden,“ macht Flechtenmacher deutlich. Frauen brauchen keine spezielle Knieprothese, wenn sie operiert werden. Vielmehr geht es um unterschiedliche Verletzungsrisiken und Verletzungsmuster. Bei Sport mit schnellen Richtungswechseln verletzen sich Frauen zwei- bis achtmal häufiger am vorderen Kreuzband als Männer. Das vordere Kreuzband zentriert das Knie und sorgt dafür, dass sich der Oberschenkelknochen nicht über das Schienbein hinausbewegt. Eine Ursache für die höhere Verletzungsquote bei diesen Sportarten liege laut Flechtenmacher darin, dass Frauen beim Springen anders landen als Männer, was mit der stärkeren X-Beinstellung der Frauen zu tun habe. Dabei bewegt sich das Bein automatisch mehr nach innen, was zu einer höheren Belastung führt. Es sei daher wichtig, eine andere Haltung zu trainieren, sagt Flechtenmacher. „Auf die höheren Verletzungsrisiken müssen wir die Frauen hinweisen. Die meisten wissen das gar nicht.“

Frauen verletzen sich eher beim Skifahren als Männer
Und noch etwas ist bei den Kniebandverletzungen im Hinblick auf das Geschlecht in den Augen von Flechtenmacher von Bedeutung. „Laut einer unserer eigenen Studien war die Inzidenz für Frauen im ersten Quartal um 28,5 Prozent höher als im Jahresmittelwert, also dann, wenn alle Skifahren gehen“, sagt Flechtenmacher. „Frauen verletzen sich offensichtlich häufiger beim Skifahren als Männer. Das hat aber nichts mit deren Können zu tun.“ Dabei weiß Flechtenmacher, was zu tun ist: „Frauen sollten sich mit einem neuromuskulären Training auf das Skifahren vorbereiten. So senken sie ihr Verletzungsrisiko.“ Denn der BVOU-Präsident schaut mit Sorge auf die Folgen: „Nach einem Kreuzbandriss entwickeln viele Frauen eine Arthrose. Wir brauchen endlich geschlechtsspezifische Präventionsprogramme, deren Vermittlung angemessen vergütet wird. Wenn nichts geschieht, ändert sich auch nichts.“


Dr. Johannes Flechtenmacher ist Präsident des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU). Er ist niedergelassener Orthopäde und Unfallchirurg in einer Gemeinschaftspraxis in Karlsruhe.

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