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Pressemitteilung der DGOU

Kein Kopfsprung in flache Gewässer: Besonders junge Männer riskieren regelmäßig Querschnittlähmungen

Mann in roter Badehose macht Kopfsprung von Steg in See
© Sk Elena / Adobe Stock

Was als harmloser Badespaß anfängt, endet schnell im Rollstuhl. Besonders junge Männer verletzen sich regelmäßig bei Kopfsprüngen in flache Gewässer an der Halswirbelsäule. Orthopäden und Unfallchirurgen raten, beim Baden im Meer, im Freibad, in Flüssen oder Seen besonders achtsam zu sein, keine gefährlichen Kopfsprünge zu machen und beim Badevergnügen auf Alkohol zu verzichten. Denn die Wassertiefe wird häufig falsch eingeschätzt, oft unter Einfluss von Alkohol. „Schlägt beim Sprung der Kopf auf einen harten Untergrund, kann es durch die starke Gewalteinwirkung schnell zu einer Querschnittlähmung kommen – mit schwerwiegenden Folgen für das ganze Leben“, sagt Prof. Dr. Michael J. Raschke, stellvertretender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU).

Heimische Badeseen in Wohnortnähe haben sich in der Corona-Pandemie zu sommerlichen Anziehungspunkten für viele Menschen entwickelt, die nicht in den Urlaub können. Auch in diesem Sommer werden wieder viele junge Menschen an die Seen fahren, um dort zu baden und gemeinsam zu feiern. „Wir appellieren an alle, besonders aber junge Männer, beim Baden vorsichtig zu sein, da es immer wieder zu schweren Badeunfällen kommt“, sagt Raschke, der auch Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Münster ist. Freigewässer beinhalten besondere Gefahren, da die Wassertiefe oft nicht bekannt und die Sichttiefe in das Wasser durch natürliche Trübungen beeinträchtig ist. Auch schwanken die Wasserstände bei sommerlicher Hitze, sodass auch bekannte Gewässer gefährlich werden können, wenn Hindernisse unter Wasser plötzlich näher an der Wasseroberfläche sind.

Orthopäden und Unfallchirurgen empfehlen zur Vermeidung von Badeunfällen:
•    keine Kopfsprünge in unbekannte Gewässer
•    nicht in alkoholisiertem Zustand schwimmen gehen
•    besondere Vorsicht bei unbekannten oder unübersichtlichen Gewässern
•    Wassertiefe vor dem Schwimmen prüfen
•    Baden und Toben im flachen Bereich immer mit Maß 

Wie groß das Problem von Querschnittlähmungen nach Kopfsprüngen ist, zeigt eine umfangreiche Datenanalyse von Betroffenen am Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum. Laut Studie wurden dort in den vergangenen 18 Jahren 60 Menschen behandelt, die nach einem Kopfsprung eine Rückenmarkverletzung erlitten hatten. Der Anteil an männlichen Patienten lag bei 98,7 Prozent. Das heißt, von 60 Patientinnen und Patienten waren 59 männlich. Sie wurden mit schweren Stauchungs- und Verrenkungsbrüchen der Halswirbelsäule eingeliefert, die eine traumatische Schädigung des Rückenmarks zur Folge hatten. Mehr als die Hälfte der Patienten sah sich sogar mit einer vollständigen Rückenmarkschädigung konfrontiert. Das bedeutet ein Leben im Rollstuhl, Arme und Beine können nicht mehr bewegt werden. Bei keinem der Betroffenen kam es zu einer vollständigen neurologischen Genesung, das führte zu einem Leben mit deutlichen Einschränkungen und einer bleibenden Behinderung. „Dies ist besonders tragisch, da das Alter zum Unfallzeitpunkt im Mittel bei 28 Jahren lag und so in aller Regel junge, teils jugendliche Menschen eine dauerhafte schwere Behinderung erlitten“, sagt PD Dr. Matthias Königshausen, Initiator der Bochumer Studie und Geschäftsführender Oberarzt an der Chirurgischen Universitäts- und Poliklinik am BG Klinikum Bergmannsheil Bochum.

In Deutschland ist geschätzt von ca. 80 bis 100 Querschnittverletzten nach Badeunfällen pro Jahr auszugehen, die in den 26 Querschnittgelähmten-Zentren behandelt werden. Bei einer durchschnittlichen Zahl von etwa 1000 bis 1500 neu aufgetretenen akuten Querschnittlähmungen nach Unfällen in Deutschland pro Jahr haben Badeunfälle einen Anteil von ca. 4 bis 8 Prozent. Ein Vergleich der Bochumer Zahlen mit internationalen Studien zeigt, dass es sich um ein dauerhaftes und wiederkehrendes Problem handelt. „Die jährlichen Zahlen an Betroffenen sind seit 50 Jahren leider sehr stabil und konstant zu hoch. Auch haben sich die Risikofaktoren nicht verändert, die zu den Unfällen führen“, sagt PD Dr. Mirko Aach, Leitender Arzt der Abteilung für Rückenmarkverletzte, Universitäts- und Poliklinik am BG Klinikum Bergmannsheil Bochum.

Auffällig ist, dass in knapp 42 Prozent der Fälle Alkohol im Zusammenhang mit dem Unfallereignis dokumentiert wurde. „Alkohol erhöht die Risikobereitschaft und führt schnell zu übermütigem und leichtsinnigem Verhalten“, weiß Dr. Christopher Spering als Leiter der Sektion Prävention bei der DGOU aus seiner Arbeit mit jungen Menschen. Selbstüberschätzung und Imponiergehabe sind zentrale Risikofaktoren. Kommt hierzu eine mangelnde Kenntnis des Gewässers und Alkoholkonsum, kann es schnell gefährlich werden. „Ein zentrales Problem ist, dass das Unfallrisiko in einer Situation mit hoher Gruppendynamik, in Partylaune und mit Alkohol schnell in den Hintergrund tritt“, sagt Spering, der als Oberarzt an der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) tätig ist. Daher können in der konkreten Situation häufig nur noch Freundinnen und Freunde, die einen kühlen Kopf behalten haben, die fatalen Mutproben stoppen. Aber auch Eltern und Schulen sind gefordert, um frühzeitig Heranwachsende immer wieder auf die Gefahren und schwerwiegenden Folgen hinzuweisen. Hier ist noch mehr Aufklärungsarbeit notwendig, damit sich möglichst viele junge Badesee- bzw. Schwimmbad-Besucher und auch Nutzer privater Pools des Gesundheitsrisikos bewusst sind, das mit Kopfsprüngen in Gewässer verbunden ist.

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