PresseDKOU

Forschungsstandort Regensburg

Klinische Forschung leicht zugänglich und unersetzlich

Ein Reiz unseres orthopädisch-unfallchirurgischen Fachgebietes ist die Besonderheit, dass wir ein enormes Spektrum abdecken – die Behandlung von Kindern bis zu Hochbetagten, angeborenen, degenerativen oder traumatischen Veränderungen, dies konservativ, minimalinvasiv und operativ auch im großen Stil – und all das in einem interdisziplinären Umfeld mit einer Vielzahl von Partnern. Bei entsprechender Neugierde und Engagement eröffnet sich jedem die Möglichkeit der Forschung. Die Aufgabe der Klinik- und Abteilungsleiter ist es, den Weg für interessierte Kolleginnen und Kollegen zu bereiten.

Die bisherigen Folgen dieser Serie konzentrierten sich auf die Laborforschung in altehrwürdigen Instituten mit idealen Forschungsbedingungen bei hochwertiger apparativer Ausstattung und entsprechender Woman- und Man-Power. Ich könnte an dieser Stelle Prof. Dr. Susanne Grässel die Darstellung überlassen, die ohne ein Vorläuferinstitut oder gar weitreichende Historie aus dem Stand eine schlagkräftige Laborforschung aus dem Boden gestampft hat. Bei unserer Struktur besteht die personelle Ausstattung für das Labor lediglich aus einer MTA-Stelle. Ihre stringente Arbeit, ihre wissenschaftliche Expertise und ihre fantastische Führung sind der wesentliche Grund, dass stets eine Truppe hoch engagierter Mitarbeiter über Drittmittelprojekte finanziert ist und sie in der obersten Forschungsliga mitspielt. Als Beispiel sei die von ihr geleitete DFG-Forschergruppe 2407 (Ex-CarBon) genannt, die auf Knorpeldefekte und Arthrose ausgerichtet ist.

Frau Prof. Grässel und ich profitieren sehr voneinander, da wir uns thematisch abstimmen, um zielgerichtet auch klinische Fragestellungen sowie Schwerpunkte einzubringen und so beispielsweise im Rahmen der degenerativen Medizin Knochenstoffwechsel, Knorpelzüchtung und Stammzellentransplantation gemeinsam zu bearbeiten. Im Duktus der bisherigen Darstellung unter „Forschung lohnt sich“ wäre es ein Einfaches, diese erfolgreichen Laborarbeiten aufzuzeigen.

Der Schwerpunkt der Forschung in unserem breit aufgestellten Fach darf für Kliniken nicht nur im Labor liegen, sondern muss das Tägliche der praktischen Routine einbeziehen. Wir alle werden Tag für Tag mit interessanten Fragen konfrontiert, denen man sich stellen muss. Diese Auseinandersetzung ist auch nicht universitätsspezifisch. Universitär ist Forschung eine „Dienstaufgabe“. Aber alle in Klinik und Praxis Tätigen müssen Fragen nach gesicherten Erkenntnissen und die Relevanz unseres Tuns überdenken. Wir dürfen nicht wie früher, vor der Ära der Evidence Based Medicine, in einem möglichen Dilemma der Routine landen: Verschrauben, Verplatten, Verblöden. Dank der allgemeinen Auseinandersetzung mit Leitlinien und kontinuierlicher Fortbildung besteht diese Gefahr nicht mehr.
Wer sich heute noch auf Vorstellungen eines mechanistischen Bewegungsapparates beschränkt, sollte endgültig umdenken und erkennen, dass wir es mit einem Bewegungsorgan und einem Bewegungssystem zu tun haben, das nicht nur mechanistisch erklärt wird, sondern ebenso komplex ist wie pathophysiologische Aspekte anderer medizinischer Fachgebiete.
Ein privat-kommerzieller Klinikträger sieht Forschung nicht als primäre Aufgabe. In einem solchen System kann man – je nach Geschäftsführer – auch Repressalien ausgesetzt sein. Umso mehr ist es aber Aufgabe eines Klinikdirektors, den Weg für jeden Mitarbeiter zu ebnen, damit wissenschaftliche Fragestellungen der täglichen Praxis verfolgt werden können. Es ist wichtig, eine Kultur der wissenschaftlichen Neugierde zu entwickeln und Dinge unserer Routine zu hinterfragen. Jeder muss nach Interesse und Neigung seine wissenschaftliche Zielsetzung entwickeln können und als jüngere Kollegin oder Kollege einen Platz finden. Dazu empfiehlt es sich, dass sich Mitarbeiter in Teams zusammenfinden und gemeinsam Aufgabenstellungen bearbeiten. Solche Teams sind variabel. Je fortgeschrittener und erfahrener ein Mitarbeiter ist, desto mehr Teams profitieren von ihm. Wichtig ist, dass interessierte Neulinge schnell integriert werden.

Ein grundlegendes Prinzip ist, dass bei den Forschungsaktivitäten Transparenz besteht, keine Überschneidungen vorliegen und dazu der Austausch gefördert wird. Im Team sind die Anteile der Mitglieder oft aufwändig zu koordinieren. Nur bei einem guten Zusammenspiel gelingt die Aufgabe insgesamt. Für Forschung braucht es Anregungen, Freiheit und intrinsische Motivation. Im Team sind Egozentriker und Ellbogentypen deplatziert. Diejenigen, die intensiv und zügig arbeiten, sind automatisch die Pacemaker. Sie schaffen es auch, ihre Teilprojekte schnell zum Erfolg zu führen, anderen Hilfestellung zu geben und auf dem akademischen Weg zügig voranzukommen. So kann eine Habilitation von Beginn an bis zum Vortrag vor der Fakultät im günstigsten Fall auch in drei Jahren fertig sein und noch vor dem Facharztabschluss in experimenteller O und U erfolgen.

Einer der wissenschaftlichen klinischen Schwerpunkte unserer Klinik liegt in der Endoprothetik. Mit BrainLAB haben wir ab 2001 die Navigation für die Knieendoprothetik mit Implementierung unseres Workflows auf die Beine gestellt, zur Serienreife geführt und die Überlegenheit der Navigation mit Daten der Zehnjahreskontrolle belegt. Die Entwicklung der Hüftnavigation wurde 2008 mit dem Innovationspreis des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für verbesserte Navigationstechnik bei künstlichen Knie- und Hüftgelenken gefördert. Diese Arbeit wurde 2014 auch mit dem Oskar-Medizinpreis der Stiftung Oskar-Helene-Heim ausgezeichnet. Die Fast-Track-Endoprothetik haben wir zur One-Day-Surgery weiter entwickelt.
Eine aktuelle Entwicklung ist die Arthrosebehandlung mit Nanofettstammzelltransplantation.
Für unsere Arbeiten zur Rückenschule in der Schule mit der Erarbeitung eines Konzeptes für die ersten Klassen weiterführender Schulen, mit Unterrichtsmaterial für den Natur- und Technikunterricht sowie eines Trainingsprogramms für den Sportunterricht mit einer Rückenolympiade, sind wir 2017 ebenfalls mit dem Oskar-Medizinpreis der Stiftung Oskar-Helene-Heim ausgezeichnet worden.

Im Jahr 2000 war ich die Erstbesetzung des Lehrstuhls für Orthopädie in Regensburg-Bad Abbach. Es gab keinerlei wissenschaftliche Basis und ebenso wenig eine klinische Situation, auf die hätte aufgebaut werden können, stattdessen einen Start am Nullpunkt. Seitdem haben im Fachgebiet Orthopädie und Unfallchirurgie 31 Kollegen und Kolleginnen habilitiert. Wer unsere Klinik mit dem vollen Spektrum des Fachgebietes durchläuft, hat hinterher die entsprechende klinische Routine, um erfolgreich eine klinische Laufbahn einzuschlagen. Aus unserer Klinik sind mittlerweile drei Lehrstuhlinhaber hervorgegangen.
Gerade angesichts der überbordenden Bürokratie müssen wir uns die Freude an unserer Tätigkeit bewahren. Das ist eine wesentliche Triebfeder, um unseren Fachbereich selbst erfolgreich zu betreiben und die Forschung voranzubringen. Eine universitäre Klinik ist ein Durchlauferhitzer, um alle Kolleginnen und Kollegen zu qualifizieren, eine akademische Laufbahn zu ermöglichen und breite klinische Expertise zu gewinnen. Jeder braucht die Perspektive für einen persönlich befriedigenden Weg.

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