AG Evidenzbasierte Medizin

Kaum ein Begriff wird heute in wissenschaftlichen aber auch der gesundheitspolitischen Diskussion so überstrapaziert wie der Terminus der „Evidenz“. Aber welche Forschungsergebnisse sind tatsächlich dazu geeignet, unsere persönlichen Therapieentscheidungen im Alltag zu verändern? Die Arbeitsgemeinschaft Evidenzbasierte Medizin (EbM) in Orthopädie und Unfallchirurgie analysiert mit den Methoden der EbM die Zuverlässigkeit von medizinischen Aussagen, die Eingang in die gute medizinische Praxis finden sollen und bringt sich dabei vielfältig in die wissenschaftliche Diskussion innerhalb der DGOU ein. Dazu gibt es sechs starke Schwerpunktbereiche, die unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft EbM zusammenarbeiten, die wir ihnen hier kurz vorstellen.

Ergänzend fertigt die AG EbM im Auftrag und zur Unterstützung des Vorstands Analysen und Kommentierungen mit einem besonderen Bezug zu evidenzbasierten, orthopädisch-unfallchirurgischen Fragestellung aus. So arbeitet die AG beispielsweise bei der Bewertung von wissenschaftlichen Daten im Austausch mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und dem Deutschen Netzwerk für Versorgungsforschung (DNVF) mit. Die AG EbM hat im Moment rund 50 Mitglieder. Kooptierte Mitglieder der österreichischen und schweizerischen orthopädisch-unfallchirurgischen Fachgesellschaft sind aktiv eingebunden.

Leiter

Prof. Dr. Tobias Renkawitz
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie
Universitätsklinikum Heidelberg

E-Mail

Teilnehmende erlernen im Kurs "Evidenzbasierte Medizin in O und U" unter welchen speziellen evidenzbasierten Gesichtspunkten wissenschaftliche Ergebnisse in Orthopädie und Unfallchirurgie bewertet werden können und welche systematische Verzerrungen Studienergebnisse in der Orthopädie und Unfallchirurgie typischerweise beeinträchtigen.

Der zweitägige Kurs vermittelt dazu einen Werkzeugkoffer, mit dem es gelingt, die Qualität von wissenschaftlichen Studien und die Zuverlässigkeit von medizinischen Aussagen zu beschreiben, zu berechnen und zu bewerten. Im Zentrum steht dabei immer die Frage nach dem tatsächlichen Nutzen für den Patienten. Techniken für eine schnelle, systematische Literaturrecherche nach relevanter Evidenz für ein konkretes klinisches Problem werden ebenso erlernt.

Erfahrene EbM-Instruktoren der DGOU üben mit den Teilnehmenden in Kleingruppen, wie man bereits anhand der wichtigsten Daten aus dem Abstract einer Studie die Validität der Evidenz nach klinisch epidemiologischen Gesichtspunkten bewerten und mit den wichtigsten Masszahlen der EbM berechnen kann. Der Kurs bietet neben einem fundierten Basiswissen „evidenzbasierte Medizin“ zudem auch die notwendige Basisqualifikation, um zukünftig als EbM-Kommentator der DGOU auf dem DKOU aufzutreten.

Der EbM-Kurs wird von der Ärztekammer Baden-Württemberg mit 17 Punkten für die ärztliche Fortbildung anerkannt.


Nächster Kurs:

Der nächste Kurs findet vom 12. bis zum 13. Oktober 2023 an der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg statt.

Den Flyer mit integriertem Anmeldeformular gibt es hier.
Bitte senden Sie das ausgefüllte und unterschriebene Anmeldeformular an die DGOU-Geschäftsstelle: office(at)dgou.de


Die Lenkungsgruppe der AG wählt jährlich aus den für den Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) im Review-Verfahren angenommene Arbeiten die Abstracts mit besonders hoher klinischer Relevanz aus und schlägt sie den Kongresspräsidenten zur Kommentierung vor. 

Die für einen EbM-Kommentar ausgewählten Autoren werden dann gebeten, ihre Präsentationen der EbM-Kommentatorengruppe bereits einige Wochen vor dem Kongress zu übersenden. Die Bewertung wird dabei einige Wochen vor dem DKOU innerhalb der EbM-Kommentatoren in einem gemeinsamen Treffen abgestimmt. Dort trägt jeder Kommentator der Gruppe seinen Kommentar mit einem Vorschlag zur Bewertung vor – die endgültige Festlegung erfolgt aber immer gemeinsam.

In diesem Rahmen wird ebenso eine Vorauswahl für den EbM-Preis getroffen. Die für den EbM-Preis nominierte Autoren werden schriftlich vor dem DKOU informiert – die letzte Entscheidung über den Preisträger fällt dann auf dem DKOU. Die Kommentierung der ausgewählten wissenschaftlichen Arbeiten unter evidenzbasierter Betrachtung erfolgt durch die speziell geschulte EbM-Kommentatoren in den Sitzungen auf dem DKOU unmittelbar nach dem Vortrag des Erstautors mit nachfolgender kurzer, gemeinsamer Diskussion. Die wissenschaftliche Diskussionskultur in der gemeinsamen Aussprache ist dabei ein wesentliches Bewertungskriterium.

Das Format der evidenzbasierter Kommentare hat sich nun schon seit über einer Dekade auf dem Hauptstadtkongress bewährt und bietet Vortragenden, Vorsitzenden und Zuhörern eine einzigartige, patientenzentrierte Diskussionskultur. Die Bewertung der ausgewählten Studien nach EbM folgt dabei immer einer einheitlichen Struktur und Bewertungsklassifikation und ist grundsätzlich sachlich und kollegial. Der EbM-Kommentar ist zeitlich limitiert und erfordert daher vom Kommentator Disziplin und ein präzises Timing.

Interessierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bietet die AG die Möglichkeit für eine unabhängige Beratung bei der Planung von patientenzentrierten Studien aus O und U. Viele der Verzerrungen und Interpretationsprobleme bei der Auswertung von wissenschaftlichen Daten lassen sich häufig durch ein strukturiertes Konzept in der Vorbereitung einer wissenschaftlichen Arbeit vermeiden. Eine Erstberatung ist für Mitglieder der DGOU kostenfrei.

Medizinische Register sind sinnvoll und nützlich, denn sie generieren die notwendigen medizinischen Versorgungsdaten unter Alltagsbedingungen. Aktuell und perspektivisch beteiligt sich die AG an Registerauswertungen unter evidenzbasierten Kriterien. Register als Instrumente der epidemiologischen Forschung bieten oftmals nur eine eingeschränkte Aussagekraft für den echten Patientennutzen. Mit adaptierten Methoden (z.B. propensity score matching) lassen sich die Aussagen verfeinern und adjustieren.

Die Mitglieder der AG sind kontinuierlich an einer Vielzahl von Publikationen beteiligt. Beispielhaft sind die von PD Dr. T. Liebs publizierte Analyse zu Ausschluss der Arthroskopie aus dem Leistungskatalog der GKV und die von PD Dr. C. Baier und Prof. Dr. T. Renkawitz veröffentlichte  Originalarbeit zu den evidenzbasierten 10-Jahres-Ergebnissen der Knienavigation.

T. Liebs, S. Berger. Ausschluss der Arthroskopie bei Gonarthrose aus dem GKV-Leistungskatalog: Beruht diese Entscheidung auf wissenschaftlichen Kriterien? Z Orthop Unfall. 2017 Jul 4.

Baier C, Wolfsteiner J, Renkawitz T. et al. Clinical, radiological and survivorship results after ten years comparing navigated and conventional total knee arthroplasty: a matched-pair analysis. Int Orthop. 2017 Oct;41(10):2037-2044

L. Dubs et al. Der Schultertrauma-Check. Ursachen von isolierten Schädigungen der Rotatorenmanschette und deren (versicherungs-)medizinische Beurteilung. Medinfo/Infoméd 2021/1


Seit 2020 wird der „Journal Club“ im „Unfallchirurgen“ (Springer Verlag) mit evidenzbasiert geprägtem Kommentar von bemerkenswerten Publikationen mit hohem Patientennutzen aus der internationalen Fachliteratur redaktionell von W. Mutschler, D. Stengel und T. Renkawitz betreut.

Jedes Jahr wächst das Fachwissen um Millionen von Beiträgen zu medizinischen Veröffentlichungen, auch zu Orthopädie und Unfallchirurgie. Wer zu einer bestimmten Fragestellung Literatur sucht, hat es nicht leicht. Um wissenschaftliche Erkenntnisse aus der klinischen Forschung effizient in den klinischen Alltag zu übertragen, haben die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) und das Universitätsklinikum Düsseldorf TraumaEvidence ins Leben gerufen, das nun auch unter dem Dach der AG EbM einen Schwerpunkt bildet.

Die Initiative legt ihren Fokus auf die Erstellung systematischer Cochrane-Übersichtsarbeiten, die das verfügbare Wissen zu einem Thema sammeln, zusammenfassen und kritisch bewerten. Die Ergebnisse werden den Mitgliedern der Fachgesellschaften zur Verfügung gestellt und in Journals oder bei Cochrane publiziert. 

Zunächst soll ein Reviewer Board aufgebaut werden, das sich mit der systematischen Analyse und Aufbereitung wissenschaftlicher Themen aus O und U befasst.  Dabei beginnt die Arbeit mit Themen aus der Alterstraumatologie, auf die weitere Fragestellungen folgen. Primär liegt der Fokus auf Interventionsstudien. Dem Reviewer Board werden verschiedenen Cochrane Gruppen methodisch zur Seite stehen – allen voran die Cochrane Metabolic and Endocrine Disorders Group an der Uniklinik Düsseldorf. Für die nahe Zukunft ist geplant, Reviewer auszubilden und das Board zu besetzen, um mit der ersten systematischen Übersichtsarbeit (Systematic Review) zu starten. Interessierte können ihre Bewerbung direkt an das Koordinationsbüro von TraumaEvidence schicken.
 

Evidenz ist mehr als nur Studien aneinandergereiht zu zitieren oder allein aus einem prospektiv randomisierten Studiendesign die Wirksamkeit einer Therapie herzuleiten. Worauf es bei der Evidenzbasierten Medizin wirklich ankommt und womit sich die AG genau befasst, zeigt der Artikel "Kontinuität bewahren und Schwerpunkte etablieren" (OUMN 2020/6)

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