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Professor Dr. Tobias Winkler im Porträt


"Meine Vision ist es, Patienten neue innovative Lösungen für die Erkrankungen des
muskuloskeletalen Systems aufzuzeigen."

Wieviel Prozent Ihrer Tätigkeit wenden Sie für Klinik bzw. Forschung auf?

Tobias Winkler: Zeitlich ist die Aufteilung mit 40 Prozent Klinik und 60 Prozent Forschung definiert. Natürlich greifen die Bereiche eng ineinander und ergänzen bzw. erweitern sich - das ist ja auch die grundlegende Idee der Schnittstellen-Professur für regenerative Orthopädie und Unfallchirurgie.

Warum haben Sie sich dafür entschieden, wissenschaftlich tätig zu sein? Was begeistert Sie an der Forschung?

Tobias Winkler: Die Wissenschaft steht für Innovation, Kreativität und Projektentwicklung – also ein Bereich, für den man Ideen braucht, die man verfolgen und realisieren kann. Um eine Idee in der Orthopädie und Unfallchirurgie zu entwickeln, ist die klinische Erfahrung sehr hilfreich und für die Realisierung unabdingbar.

In der muskuloskeletalen Chirurgie sind die letzten großen Entwicklungen bereits mehrere Dekaden her und die Veränderungen erfolgen seither, beispielsweise in der Entwicklung der Endoprothetik nur schrittweise. Neue große Impulse erwarten wir bei den regenerativen Therapien, beispielsweise im Rahmen der Advanced Medicinal Therapeutic Products (ATMP). Diesen Bereich voranzubringen, ist außerordentlich spannend.

Was möchten Sie langfristig mit Ihrer Forschung erreichen? Was ist Ihr „großer Plan“?

Tobias Winkler: Meine Vision ist es, Patienten neue innovative Lösungen für die Erkrankungen des muskuloskeletalen Systems aufzuzeigen. Im Bereich der Grundlagenforschung haben wir in den letzten Jahren sehr viele entscheidende Erkenntnisse generiert, aber die Translation zum Patienten ist auf mehreren Ebenen komplex. Die Identifikation von relevanten wissenschaftlichen Grundsätzen sowie die Übertragung von neu entwickelten Therapien aus der Forschung in die Klinik stellt die Kernmotivation meiner Tätigkeit dar.

Wie können Ihrer Meinung nach mehr klinische Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen zur eigenen Forschung begeistert werden?

Tobias Winkler: Wir haben an den Universitätskliniken aktuell wieder viele sehr kreative und intelligente Köpfe, denen wir für ihre eigenständigen Forschungstätigkeiten einfach nur einen fruchtbaren Rahmen bieten müssen. Dazu gehört zum einen natürlich die geschützte Zeit für Forschung, zum anderen aber auch ein hochwertiges qualitatives Mentoring.

Zu den wesentlichen Elementen für die Motivation klinischer Nachwuchswissenschaftler zählen von ihrer Arbeit begeisterte Mentoren sowie ein geeignetes produktives Forschungsumfeld. Das gelingt beispielsweise gut über eine enge Kooperation mit einem Partner, der einen begleitet. So arbeiten grundlagenorientierte Wissenschaftler ähnlicher bzw. korrespondierender Ausbildungsstufen eng zusammen. Wer ausgezeichnete Forschungsleistungen zeigt, hat gute Karrierechancen – dies den jungen Wissenschaftlern zu vermitteln, ist ein weiterer wichtiger Faktor.

Am Julius Wolff Institut und dem Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie (CMSC) haben wir ein akademisches Weiterbildungskonzept für chirurgisch-klinische Nachwuchswissenschaftler entwickelt, das genau diese Faktoren transparent beinhaltet und auf die speziellen Bedürfnisse des chirurgisch tätigen Arztes eingeht.

Welche Herausforderungen / Hindernisse mussten Sie überwinden, um Forschung zu betreiben, und was raten Sie dem wissenschaftlichen Nachwuchs?

Tobias Winkler: Als ich an die Charité kam, gab es noch keine strukturierten Ausbildungsprogramme für klinische Forscher. Ich musste mir daher die strukturellen Voraussetzungen für meine wissenschaftliche Laufbahn im Wesentlichen selber zusammensetzen. Glücklicherweise haben mich meine wissenschaftlichen und klinischen Mentoren, hier vor allem Prof. Dr. Georg Duda und Prof. Dr. Carsten Perka, sehr gut unterstützt. So ist mir gelungen, neben meiner klinischen Tätigkeit auch eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe aufzubauen.

Die Hauptherausforderung für chirurgisch tätige Kolleginnen und Kollegen ist sicherlich heute trotzdem dieselbe: nämlich neben dem klinisch sehr dichten und sehr durchstrukturierten Alltag auch genügend Raum für qualitativ hochwertige Forschung zu generieren. Der große Vorteil ist allerdings heute, dass wir z. B. an der Charité – aber auch zunehmend an anderen akademischen Einrichtungen – strukturierte Programme haben, die jungen Kollegen diese geschützte Zeit einzuräumen.

Ein gutes Beispiel ist das Clinician Scientist Programm der Charité, das wir maßgeblich mitentwickelt haben. Dabei wird genau diese Forschungszeit in den Kliniken finanziert, sodass für die Häuser ein hoher Anreiz besteht, die Nachwuchsforscher in den einzelnen Programmen unterzubringen und die wissenschaftliche Karriere ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern. Mein Rat an junge klinische Wissenschaftler: Lebt für Eure Ideen! Sucht Euch klinische Mentoren, die Eure Visionen teilen! Denkt groß!

Welches der von Ihnen bislang betreuten Forschungsprojekte hat Sie am meisten begeistert und warum?

Tobias Winkler: Das ist sicherlich mein Muskelregenerationsprojekt, das ich von der Präklinik bis zur aktuellen Phase 3-HIPGEN-Studie über Jahre aufgebaut habe. Hier gelang es uns, ein neues innovatives Konzept von der initialen Idee bis zur Zulassungsstudie zu entwickeln und einen EU-Grant in Höhe von 7,4 Millionen Euro einzuwerben. Als Koordinator dieses Konsortiums habe ich neben wissenschaftlichen und klinischen Aufgaben auch sehr viele Managementtätigkeiten – eine bunte Mischung also, die zwar anstrengend und zeitaufwendig ist, aber auch sehr viel Spaß macht.

Welchen Stellenwert nimmt nach Ihrer Ansicht die Forschung in O und U ein?

Tobias Winkler: Meines Erachtens ist die Forschung in O und U im Vergleich zu anderen Fachgebieten nach wie vor unterrepräsentiert. Zudem erschöpft sie sich oft in Produkttestungen für die Medizinprodukteindustrie. Aber gerade in der Grundlagenforschung im muskuloskeletalen Bereich existieren viele sehr innovative Ansätze, die man im Hinblick auf ihre Translation zum Patienten beforschen sollte. Ich habe die Hoffnung, dass wir in den nächsten Jahren tatsächlich wieder disruptive, also nicht nur kleinschrittige, Innovationen sehen werden, die unser Fach so dringend braucht.

Wie vereinbaren Sie Forschung und Familie miteinander?

Tobias Winkler: Ich denke, dass ich da einen sehr guten Weg gefunden habe. Obwohl intensive Forschung natürlich auch Extrastunden zu Hause bedeuten, so sind diese doch oft flexibel einteilbar und lassen sich sehr gut in den Familienalltag einbauen. Mein 12-jähriger Sohn möchte auch einmal Forscher werden, da teilen wir neben anderen Dingen auch die Begeisterung für Neues und Unentdecktes.

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