Jedes Jahr verletzen sich in Deutschland 1,7 Millionen Kinder unter 15 Jahren. Laut der Studie auf Basis einer Befragung von 331 Eltern passierten 2010 rund 60 Prozent der Unfälle von Kindern zuhause, nur 14 Prozent dagegen im Straßenverkehr. Bei Kindern ab einem Alter von sechs Jahren nahm der Anteil der Verkehrsunfälle zwar zu, doch doppelt so häufig passierten Unfälle zuhause und in der Freizeit.
Stürze machen dabei über die Hälfte der Unfälle aus. Am häufigsten ist der Kopf des Kindes betroffen. Den Daten der Unfallversicherer zufolge ist der Anteil der Kopfverletzungen umso höher, je jünger das Kind ist. Er liegt laut Angaben der Befragten bei den Sechsjährigen bei 33 Prozent, bei den Drei- bis Vierjährigen bei 50 Prozent und bei Einjährigen bei rund 70 Prozent.
Kleine Kinder stolpern beispielsweise oft über eine Teppichkante und schlagen mit dem Kopf auf einem Couchtisch auf, Ältere fallen im Tiefschlaf oder beim Spielen vom Hochbett oder stürzen aus aus dem Fenster – Gefahren, die häufig verkannt werden. Nur 15 Prozent der befragten Eltern halten Stürze für die größte Unfallgefahr.
„Insbesondere Fensterstürze führen oft zu schwerwiegenden Polytraumata“, sagt Stefanie Märzheuser, Kinderchirurgin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Präsidentin der Bundesarbeitsgemeinschaft „Mehr Sicherheit für Kinder“. Kinderunfälle seien in vielen Fällen vermeidbar. „Gerade in Großstädten sind etwa Fenstersicherungen unverzichtbar. Wer keine hat, handelt fahrlässig.“ Etwa einmal pro Monat fällt allein in Berlin ein Kind aus dem Fenster.
Besonders gefährlich für Kinder ist auch die Küche, wo Verbrühungen und Verbrennungen durch heißes Fett, kochendes Wasser oder eine glühende Herdplatte drohen. Gar nicht selten stehen hier auch ätzende Putzmittel und andere giftige Substanzen in Reichweite von Kleinkindern. Auch wenn 40 Prozent der Eltern die Küche für einen großen Risikofaktor halten, lassen 41 Prozent von ihnen schon kleine Kinder unbeaufsichtigt dort. Ab dem Alter von sechs Jahren halten sich 81 Prozent der Kinder allein in der Küche auf.
Auch beim Schwimmen überschätzen Eltern ihre Kinder häufig. „Sobald das Kind das Seepferdchen hat, haben viele Eltern das trügerische Gefühl, es wäre im Wasser sicher“, berichtet Markus Schmidt von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), die mit der Durchführung der Studie beauftragt war. Rund 70 Prozent der Eltern gaben an, ihr Kind könne gut oder sehr gut schwimmen, auch wenn es für dieses Abzeichen nur eine 25-Meter-Bahn bewältigen muss. Doch erst ab acht Bahnen, was dem Bronze-Abzeichen entspricht, kann man laut Deutscher Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) von einem sicheren Schwimmer sprechen.
Obwohl die allermeisten Eltern die Gefahren für Kinder im Straßenverkehr als sehr hoch einschätzen, ist deren Vorbildfunktion laut Studie nicht immer gut ausgeprägt: Mehr als die Hälfte der Eltern gab an, beim Radfahren nie oder selten einen Helm zu tragen.
Märzheuser plädiert insgesamt für mehr Risikobewusstsein der Eltern: „Prävention bedeutet nicht, dass man Kindern verbietet, Spaß zu haben, sondern Risikokompetenz zu schulen. Kinder erlernen Gefahrenbewusstsein über Erfahrungen, zum Beispiel durch Klettern oder Fußball spielen. Man muss motorische Fähigkeiten allerdings altersgemäß schulen.“
Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) ist seit August 2012 Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft „Mehr Sicherheit für Kinder e.V.“
Studie im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)
Unfälle bei Kindern: Eltern unterschätzen die Risiken zuhause

Die meisten Eltern sehen im Straßenverkehr die größte Gefahr für ihre Kinder. In den eigenen vier Wänden dagegen fühlen sie sich sicher: 82 Prozent glauben, dass das Unfallrisiko für ihr Kind zuhause gering ist. Eine Studie im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zeigt jedoch, dass die meisten Unfälle zuhause oder in der Freizeit geschehen.