Pressemitteilung zum DKOU

DKOU 2016: Keine falsche Angst vor notwendigen Wirbelsäulenoperationen

Seit 2005 hat sich die Anzahl der Wirbelsäulenoperationen in Deutschland mehr als verdoppelt, wie die Gesundheitsstatistik der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem Jahr 2013 bekannt gab. Immer wieder steht zur Diskussion, ob die Zunahme auch finanziell motiviert sei. Nach Ansicht von Orthopäden und Unfallchirurgen sind vorrangig die Alterung der Gesellschaft und chirurgische Innovationen die Gründe dafür, dass mehr Patienten zu einer Operation geraten wird. Bei welchen Erkrankungen eine Operation medizinisch sinnvoll oder sogar dringend notwendig ist, diskutieren Experten auf dem Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) vom 25. bis 28. Oktober 2016 in Berlin.

Seit der OECD-Studie aus dem Jahr 2013 stünde die Wirbelsäulenchirurgie immer wieder in der öffentlichen Kritik, sagt Prof. Dr. Frank Kandziora, Vorsitzender der Sektion Wirbelsäule der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). „Ärzten wird vorgeworfen, sie würden überflüssige oder gar gefährliche Operationen aus finanziellen Gründen verordnen – ein Vorurteil, das im Einzelfall lebensgefährlich erkrankte Patienten  davon abhält, sich für eine potenziell lebensverlängernde Wirbelsäulenoperation zu entscheiden.“ Laut dem Experten sei der Anstieg der OP-Zahlen vor allem durch den demografischen Wandel bedingt – die Wahrscheinlichkeit, eine Erkrankung der Wirbelsäule zu erleiden, steigt eindeutig mit zunehmendem Alter. Dies bestätigt eine Analyse des wissenschaftlichen Instituts der Privaten Krankenversicherung (PKV), die im Jahr 2015 erschien. Danach sei Deutschland nicht OP-Weltmeister, erklärt Kandziora: „Wenn das Durchschnittsalter der Patienten berücksichtigt wird, liegt Deutschland nur noch im Mittelfeld der westeuropäischen Länder.“

Der Chefarzt am Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie und Neurotraumatologie der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main sieht noch weitere Gründe, die den Anstieg der Operationszahlen erklären. „Sowohl Verbesserungen in der chirurgischen Technik sowie neue Untersuchungstechniken und wissenschaftliche Erkenntnisse tragen zum Anstieg der OP-Zahlen bei. So konnten zum Beispiel Langzeitstudien wie der Spine Patient Outcomes Research Trial zeigen, dass sich über einen Beobachtungszeitraum von mittlerweile acht Jahren konstant eine geringere Schmerzbelastung und eine bessere Lebensqualität für Patienten ergibt, die sich operieren lassen.

„Bei Traumata, Tumoren, Infektionen, Lähmungserscheinungen oder krankhaften Verformungen der Wirbelsäule ist typischerweise eine Operationsindikation unstrittig“, betont der Experte. Speziell bei Verschleißerkrankungen sollten aber zunächst immer die konservativen Verfahren ausgeschöpft werden. Bringen diese jedoch keinen langfristigen Erfolg, sollte auch bei Bandscheibenvorfällen oder Verengungen des Wirbelkanals ein chirurgischer Eingriff erwogen werden. „Genau wie andere Behandlungsmethoden kann die Chirurgie die Verschleißschäden aber nicht endgültig aufhalten, sondern lediglich Schmerzen vermindern und Funktionalität wiederherstellen“, betont Kandziora. Bestehen Zweifel, ob eine Operation wirklich angebracht ist, sollten Ärzte und Patienten eine Zweitmeinung einholen, empfiehlt Prof. Dr. Heiko Reichel. „Diese muss jedoch immer durch einen fachkundigen Orthopäden, Unfallchirurgen oder Neurochirurgen erfolgen und ist meist nicht nur an einem Röntgenbild zu machen“, betont der Kongresspräsident des DKOU 2016. Dabei gehe es immer darum, eine individuell optimale Behandlung für den Patienten zu finden. Wie die Chancen und Risiken der Wirbelsäulenchirurgie realistisch einzuschätzen sind, erörtern Orthopäden und Unfallchirurgen auf einer Pressekonferenz im Rahmen des DKOU 2016.

Quellen:
Health at a Glance 2013 – OECD Indicators
DOI: 10.1787/health_glance-2013-en

Verena Finkenstädt, Dr. Frank Niehaus, Die Aussagekraft von Länderrankings im Gesundheitsbereich: Eine Analyse des Einflusses der Altersstruktur auf die OECD-Daten
Wissenschaftliches Institut der PKV
Spine Patient Outcomes Research Trial – SPORT
Publikationen unter: http://www.dartmouth.edu/sport-trial/publications.htm

 

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