PresseDKOU
Pressemitteilung der DGOU

Experten warnen: Patientenversorgung in O und U vor bedrohlicher Verschlechterung

Arzt untersucht Patient mit verletztem Bein
© georgerudy / Adobe Stock

Im Vorfeld des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU), der vom 25. bis 28. Oktober in Berlin stattfindet, haben Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) sowie des Berufsverbands für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) vor einer Verschlechterung der künftigen Patientenversorgung gewarnt. Die Erfüllung des Versorgungsauftrags von Orthopäden und Unfallchirurgen erfolge aktuell unter immer schwierigeren Rahmenbedingungen. Millionen Menschen in Deutschland sind von Verletzungen und Erkrankungen des Bewegungssystems betroffen; Volkskrankheiten wie Arthrose, Osteoporose und Kreuzschmerz sowie Verletzungen verursachen einen immensen sozioökonomischen und finanziellen Aufwand. So liegen in Deutschland Erkrankungen und Verletzungen des Bewegungssystems mit ca. 51,1 Mrd. Euro pro Jahr an dritter Stelle der Gesundheitsausgaben – direkt nach Herz-Kreislauferkrankungen und psychischen Störungen. Die Leistungsfähigkeit von Orthopädie und Unfallchirurgie zu erhalten, ist, auch im Hinblick auf die alternde Bevölkerung, ein dringendes gesamtgesellschaftliches Anliegen.

Bürokratie und Personalmangel gefährden die Leistungsfähigkeit von Orthopädie und Unfallchirurgie
Die Rahmenbedingungen für die Leistungsfähigkeit des Faches werden aktuell indes sichtlich schlechter. So verhindern überbordende bürokratische Prozesse und monetäre Vorgaben, dass der Patient wirklich im Mittelpunkt des ärztlichen Handelns stehen kann; auch die mangelhafte Digitalisierung raubt Zeit und damit die Möglichkeit für Zuwendung zum Patienten. „Empathie und Zeit sind nicht durch Organisation zu ersetzen“, sagt Prof. Dr. Bernd Kladny, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). „Damit wir auch in zehn Jahren noch unsere wichtige Rolle für die alternde Bevölkerung erfüllen können, müssen Über- und Fehlregulierungen abgebaut werden.“ Darüber hinaus stelle vor allem der Fachkräftemangel ein drängendes Zukunftsproblem dar. „Die Facharztausbildung zum Orthopäden/Unfallchirurgen dauert sechs Jahre und kann dennoch kaum die enorme Breite des Fachs abbilden“, so Kladny. „Hier gilt es, den enormen Zeit- und Personalaufwand der Weiterbildung adäquat abzubilden.“ Auch reduzierten neue Lebensmodelle und Wunsch nach mehr Teilzeit den potentiellen Personaleinsatz der Zukunft – dies gelte es bei der Planung künftiger Versorgung dringend zu beachten.

EU-Medizinprodukteverordnung erschwert sinnvolle Implantatversorgung
2017 hat das Europäische Parlament eine neue Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, MDR) erlassen, die nun auch in Deutschland in Kraft tritt. Die MDR regelt die Zulassung von mehr als 450.000 Medizinprodukten in Europa, zu denen auch Endoprothesen gezählt werden. Ihre hohen, für neue Produkte sinnvollen Anforderungen gelten jedoch auch für Bestandsprodukte, die seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt werden. Da für die Hersteller der Aufwand der Re-Zertifizierung in keinem Verhältnis zum Verkaufserlös älterer Produkte steht, sind erste Produkte bereits nicht mehr verfügbar. „Schon bald können bewährte Endoprothesen, Nägel und Platten ganz vom Markt verschwinden“, warnt Prof. Dr. Dietmar Pennig, stellvertretender Generalsekretär der DGOU. „In der Folge kann die Versorgung von Patienten mit Gelenkersatz nicht mehr auf dem bisherigen Niveau erbracht werden. Denn Operateure werden andere Implantate als bisher verwenden müssen, mit denen sie u.U. weniger Erfahrung haben und für die keine Langzeitergebnisse vorliegen. Außerdem werden wesentlich ausgedehntere Revisionseingriffe nötig, wenn für ältere Implantate keine Wechsel-Ersatzteile mehr verfügbar sind.“ Die DGOU begrüße zwar grundsätzlich die MDR-Initiative, da sie zu mehr Sicherheit aller Medizinprodukte führen soll. Für langjährig bewährte Produkte seien die Vorgaben jedoch ethisch nicht vertretbar und wissenschaftlich nicht sinnvoll. Die DGOU fordert, unter Berücksichtigung der vorliegenden umfassenden Qualitätsdaten aus den bestehenden Endoprothesen- und Traumaregistern der Fachgesellschaften, eine deutlich erleichterte Freigabe für ältere Produkte und insgesamt eine Nachbesserung bei der Umsetzung der MDR.

Reform der ambulanten Notfallversorgung erforderlich, um Kollaps zu verhindern
In den Notaufnahmen der Krankenhäuser zählen akute Verletzungen zu den TOP 10 aller gestellten Diagnosen, in der ambulanten Notfallversorgung legen Zahlen nahe, dass 50 Prozent aller Patienten mit Diagnosen aus O und U kommen. Gutachten über die ambulante Notfallversorgung zeigen, dass zu viele Patienten in die Notaufnahmen kommen, die nicht zwingend einer Notfallbehandlung bedürfen, dass dies überlange Wartezeiten verursacht und die Strukturen finanziell überlastet. „Die Bereitstellung einer qualifizierten Notfallversorgung zeichnet den Gesundheitsstandort Deutschland aus und gehört in den Bereich der Daseinsfürsorge“, betont Dr. Burkhard Lembeck, Präsident des Berufsverbands für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU). „Aus unserer Sicht können bereits einfach umsetzbare Maßnahmen Fehlsteuerung, mangelnde Bedarfsgerechtigkeit und Unterfinanzierung in der Versorgung von Notfällen in Orthopädie und Unfallchirurgie lösen.“ Der G-BA hatte im Auftrag der letzten Bundesregierung ein Konzept erarbeitet, das die Kernprobleme Fehlsteuerung, Wartezeiten und Unterfinanzierung im Bereich der Notfallversorgung beheben soll. Dieses Reform-Konzept begrüßt der BVOU ausdrücklich; er hat ergänzend konkrete Empfehlungen entwickelt, um die die Patientenströme besser zu strukturieren und effektiver zu steuern:

  • Einführung einer standardisierten, digital unterstützten und bundesweit einheitlichen Ersteinschätzung von Patienten möglichst im präklinischen Bereich
  • Einführung eines Ticket-Systems in der Ersteinschätzung zur Vermeidung von Wartezeiten
  • Zuzahlung für „Schwarzfahrer“ ohne Ticket
  • Entlastung der Rettungsstellen durch ein Netz von Partnerpraxen
  • Fallzahlunabhängige Finanzierung von Rettungsstellen im Rahmen der Daseinsfürsorge
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