Mit Stand 2021 gibt es in Deutschland 57.000 Ärzte und Ärztinnen, die Deutsch nicht als ihre Muttersprache sprechen.1 Eine im Januar 2024 veröffentlichte Umfrage mit dem Titel „Orthopädie und Unfallchirurgie 2023 – haben wir genug Nachwuchs?“ zeigt zudem: Von den befragten Klinikleiterinnen und -leitern aus 185 Kliniken für Orthopädie und Unfallchirurgie gaben 70 Prozent an, Ärztinnen und Ärzte zu beschäftigen, die Deutsch nicht als Muttersprache haben.2 Dazu gibt es Berichte, wie beispielsweise vom Deutschen Ärzteblatt, die beschreiben, dass viele ausländische Ärztinnen und Ärzte nicht mit ihrer Arbeitssituation zufrieden sind und sich allein gelassen fühlen.3
„Diese Ergebnisse haben uns veranlasst, einen Kurs zu entwickeln, mit dem wir den Einstieg in das deutsche Gesundheitssystem erleichtern können. Denn wir haben in O und U viele unbesetzte Stellen und benötigen daher dringend Ärztinnen und Ärzte, um die Versorgung unserer Patienten zu sichern“, sagt Prof. Dr. Steffen Ruchholtz, wissenschaftlicher Leiter des Excellence-Kurses und Autor der Umfrage zum Nachwuchs.
Die Einstiegsprobleme sind vielfältig. Die Sozialisation in einem anders organisierten Gesundheitssystem führt in Deutschland zu Herausforderungen. Im Bereich der Kommunikation hakt es bei der Visite, in Übergabesituationen bei der Patientenverlegung oder bei Aufklärungsgesprächen mit den Patienten. Ebenso herausforderungsvoll ist das Verfassen von Arztbriefen oder Konsilanforderungen für die Beratung mit Ärzten aus anderen Fachbereichen. Aber auch das interkulturelle Zusammenwirken beider Seiten ist oftmals nicht einfach. „Wir möchten im Ausland geborene bzw. ausgebildete Ärzte mit ihren Startschwierigkeiten nicht allein lassen, sondern ihnen von Anfang an helfen, in unserem Gesundheitssystem heimisch zu werden“, sagt Ruchholtz.
Bisher wurde das Coaching individuell über die jeweilige Klinik geregelt. „Im stressigen Klinikalltag kommt das meist zu kurz und hängt dann zudem auch von den interpersonellen Kompetenzen des Teams ab. Mit dem Kurs ist Zeit und Raum, sich dem Bedarf der Teilnehmer individuell zu widmen. Wir wollen, dass davon möglichst viele profitieren“, sagt Ärztin in Weiterbildung Dr. Marit Herbolzheimer, die an der einjährigen Kurs-Entwicklungszeit beteiligt war und nun auch als eine von sechs Kursreferenten aktiv wird.
Die Fortbildung besteht aus einem zweitägigen Präsenzkurs mit einem Online-Kurs im Vorfeld. Folgenden Inhalte stehen im Mittelpunkt:
- Einführung in das Gesundheitssystem: Verstehen Sie Struktur und Funktionsweise des deutschen Gesundheitssystems, einschließlich der ambulanten und stationären Versorgung.
- Praktische Klinikerfahrung: Nehmen Sie an realen klinischen Szenarien teil, einschließlich Visiten, Stationsarbeit, OP-Berichten und Arztbriefen.
- Medizinische Expertise: Lernen Sie die diagnostischen und kurativen Möglichkeiten in deutschen Kliniken kennen.
- Kommunikation und Teamarbeit: Verbessern Sie Ihre Kommunikationsfähigkeiten und lernen Sie, effektiv im medizinischen Team zu arbeiten, indem Sie bewährte Prinzipien anwenden.
- Abrechnung und Dokumentation: Verstehen Sie die Grundlagen der medizinischen Abrechnung und lernen Sie, korrekte Arztbriefe und Dokumentationen zu erstellen.
Der erste Kurs findet am 5. und 6. April 2024 statt. „Nach dem ersten Durchlauf werden wir anhand der Rückmeldungen einschätzen, an welchen Stellen wir noch modifizieren müssen“ sagt Markus Blätzinger, Geschäftsführer der AUC - Akademie der Unfallchirurgie in München.
Referenzen:
1) Ärztestatistik der Bundesärztekammer, Stand Dezember 2021
2) Orthopädie und Unfallchirurgie 2023 – haben wir genug Nachwuchs, Z Orthop Unfall 2024; 162: 21–26
3) Integration im Gesundheitswesen - Ärzte fühlen sich oft alleingelassen, Deutsches Ärzteblatt | Jg. 114 | Heft 7 | 17. Februar 2017