Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes gab es im Jahr 2016 insgesamt 81.272 Fahrradunfälle, bei denen Personen verletzt wurden. 393 Radfahrer starben. Die Hauptursache von schweren Verletzungen bei Fahrradunfällen war in 74 Prozent der Fälle ein Zusammenstoß mit einem Auto. Bei Unfällen mit einem Pkw war der Radfahrer nur zu 24 Prozent Hauptverursacher des Unfalls.
Ein Zusammenstoß zwischen Radlern und abbiegenden Pkw- oder Lkw-Fahrern ist eine der Ursachen für schwere Radunfälle. Daher betont Dr. Christopher Spering, Leiter der DGOU-Sektion Prävention und Oberarzt an der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG): „Die Aufmerksamkeit und Achtung gegenüber Fahrradfahrern muss noch viel stärker werden.“ Dazu gehört, dass Autofahrer vor dem Abbiegen den Schulterblick nicht vergessen dürfen und Blickkontakt mit dem Radfahrer suchen. Dabei sichert der Blickkontakt die gegenseitige Wahrnehmung. Kommt er nicht zustande, sollte der Radler zurückhaltend fahren, um auf eine Gefahrensituation rechtzeitig reagieren zu können – notfalls indem er anhält und das Fahrzeug abbiegen lässt. Spering rät: „Radfahrer sollten sich zu ihrer eigenen Sicherheit nicht auf ihr Vorfahrtsrecht verlassen.“ Das gelte besonders bei Lkw-Fahrzeugen. Fahrradfahrer müssten sich bewusst sein, dass sie sich womöglich im toten Winkel befinden und der Lkw-Fahrer sie nicht sehen kann. Abhilfe bieten hier technische Abbiegeassistenten, mit denen Lkw jedoch bisher nur vereinzelt ausgestattet sind und auf die sich Radler daher nicht verlassen sollten.
Im eigenen Interesse sollte der Radler zudem dafür sorgen, dass ihn andere Verkehrsteilnehmer zu jeder Tages- und Nachtzeit schnell erkennen können. Neben dem verkehrssicheren Fahrrad mit Beleuchtung eignet sich das Tragen reflektierender Kleidung. Eine Option ist die Warnweste, ein einfaches, aber sehr wirkungsvolles Mittel. Auch reflektierende Gurte oder Sticker verbessern die Sichtbarkeit. „Andererseits dürfen sich Pkw-Fahrer auf diese Vorsorge nicht verlassen. Ihre Wahrnehmung für Fahrradfahrer sollte stets geschärft sein – insbesondere an Kreuzungen“, sagt Spering.
Bei den lebensgefährlich verletzten Radfahrern ist das schwere Schädel-Hirn-Trauma die Hauptverletzung. „Jeder Fahrradfahrer sollte daher zu einem Schutzhelm greifen“, rät Fahrradunfallforscher und DGOU-Präventionsexperte Privatdozent Dr. Christian Juhra aus der Klinik für Unfall-, Hand und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Münster. Ein Fahrradhelm schützt den Kopf, indem er die Energie reduziert, die bei einem Aufprall auf den Schädel wirkt – Helmträger erleiden damit weniger schwere Kopfverletzungen. Im Jahr 2017 trugen 19 Prozent der Radler einen Helm. Das ist eine Steigerung von zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr. 2010 waren es noch 9 Prozent. „Die steigende Akzeptanz für den Helm ist sehr positiv. Insgesamt sind es aber leider immer noch zu wenig Menschen, die einen Helm nutzen“, sagt Juhra.
Helm, Warnweste und einen Blick auf die Risiken im Straßenverkehr sind Maßnahmen, die Fahrradfahrer eigenverantwortlich sofort und jederzeit umsetzen können – die aber nicht jeden Unfall verhindern können. „Für mehr Sicherheit für Fahrradfahrer sind daher auch weitere Maßnahmen wie infrastrukturelle Änderungen im Verkehr nötig“, betont Spering.
Unfälle beim Abbiegen vermeiden durch Blickkontakt zwischen Fahrradfahrern und Autofahrern
Zum Start in die Fahrradsaison ist wieder eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber Radlern notwendig – insbesondere an Kreuzungen. Hier sollten rechtsabbiegende Lkw- und Pkw-Fahrer und geradeaus fahrende Fahrradfahrer besser aufeinander achten und möglichst Blickkontakt miteinander aufnehmen. So können Radler sicher sein, dass sie von Rechtsabbiegern wahrgenommen werden und ihnen die zustehende Vorfahrt auch gewährt wird. Denn immer wieder kommt es zu Unfällen, bei denen Fahrzeugführer den Radler nicht oder zu spät erkennen und beim Abbiegen mit ihm zusammenstoßen. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) hin. Sie empfiehlt zudem: Helm auf und Warnweste oder Leuchttextilien an. „Eigenverantwortung und gegenseitige Fürsorge sind im Straßenverkehr unerlässlich“, sagt Prof. Dr. Joachim Windolf, stellvertretender DGOU-Präsident und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) sowie Direktor der Klinik für Unfall- und Handchirurgie der Universitätsklinik Düsseldorf.