Dr. Fabian Westhauser im Porträt
"Mit 'Zaubergläsern' gegen Knochenkrebs"
Wieviel Prozent Ihrer Tätigkeit wenden Sie für Klinik bzw. Forschung auf?
Fabian Westhauser: Meine aktuelle Tätigkeit ist überwiegend klinisch geprägt. Forschung ist immer auch eine Teamleistung – so hält das Klinikumfeld an der Orthopädischen Universitätsklinik in Heidelberg sämtliche Infrastruktur vor, die eine Kombination von klinischer Arbeit mit Spitzenforschung ermöglicht.
Warum haben Sie sich dafür entschieden, wissenschaftlich tätig zu sein? Was begeistert Sie an der Forschung?
Fabian Westhauser: Medizinischer Fortschritt ist nur durch Forschung möglich. Die Aussicht, ganz persönlich einen Teil zur Entwicklung der Medizin beizutragen, hat mich bereits im Studium für wissenschaftliche Fragestellungen begeistert und stellt die Triebfeder meines Interesses für Forschung dar. Dieses wurde im Rahmen meines Studiums in Heidelberg durch ein besonderes Umfeld bestärkt: Im regulären klinischen Studienabschnitt des Medizinstudiums ist ein Freisemester für Forschungstätigkeiten fest implementiert. Gerade in der medizinischen Forschung, in der translationale Projektansätze von zentraler Bedeutung sind, ist die bei uns gelebte enge Verbindung von Klinik und Wissenschaft besonders gewinnbringend. Gezieltes Mentoring und die Freiheit, eigene Forschungsfelder für mich zu erschließen, haben mich bereits zu Beginn meiner Facharztweiterbildung bestärkt, wissenschaftlich aktiv zu werden und zu bleiben. Gleichzeitig ist es die Neugierde, die mich immer wieder dazu antreibt, Dinge zu hinterfragen und die Antworten dazu im Labor zu suchen.
Was möchten Sie langfristig mit Ihrer Forschung erreichen? Was ist Ihr „großer Plan“?
Fabian Westhauser: Ich beschäftige mich in meiner Forschung hauptsächlich mit Knochenersatzmaterialien, im Besonderen mit sogenannten bioaktiven Gläsern. Bioaktive Gläser sind zur klinischen Anwendung zugelassen und zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie in Kontakt mit Körperflüssigkeiten an ihrer Oberfläche Hydroxylapatit ausbilden. Diese Eigenschaft führt dazu, dass sich bioaktive Gläser nicht nur fest mit umliegendem Knochengewebe verbinden, sondern gleichzeitig eine hohe Biokompatibilität zeigen: Die Glassubstanz wird zumindest teilweise vom Körper resorbiert und durch Knochengewebe ersetzt. Vermittelt wird die Ausbildung von Hydroxylapatit an der Glasoberfläche durch einen schnellen Austausch der ionisierten Glasbestandteile, unter anderem von Silizium. Forschungsergebnisse zeigen, dass Silizium die Differenzierung von Knochenvorläuferzellen zu Osteoblasten fördert, sodass bioaktives Glas die Knochenregeneration stimuliert. Mein Ziel ist es, die biologischen Eigenschaften bioaktiver Gläser noch genauer zu verstehen und weiter zu optimieren. Im Rahmen meines Habilitationsprojekts beschäftige ich mich damit, inwiefern die biologischen Eigenschaften bioaktiver Gläser durch Modifikation der Glaszusammensetzung beeinflusst werden können. Mein „großer Plan“ ist, die Ergebnisse meiner Forschung zur klinischen Anwendung zu bringen und somit zum Vorteil unserer Patienten im Sinne verbesserter Behandlungsverfahren einsetzen zu können.
Wie können Ihrer Meinung nach mehr klinische Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen zur eigenen Forschung begeistert werden?
Fabian Westhauser: Wichtig ist eine persönliche Förderung durch einen erfahrenen Wissenschaftler, verbunden mit der Freiheit, Projektideen selbstständig zu entwickeln und umzusetzen. Auch ist eine solide finanzielle Basis, also der Zugang zu Forschungsmitteln, relevant.
Welche Herausforderungen / Hindernisse mussten Sie überwinden, um Forschung zu betreiben, und was raten Sie dem wissenschaftlichen Nachwuchs?
Fabian Westhauser: Gute Forschung benötigt die passende Umgebung – man sollte also einen Standort suchen, an dem wissenschaftliches Arbeiten gefördert wird und der die notwendige Infrastruktur für Forschung vorhält. Aber auch in der richtigen Umgebung gilt es, stets beharrlich zu bleiben. Nicht immer gelingt die Drittmitteleinwerbung, nicht immer wird ein Paper zügig zur Veröffentlichung akzeptiert. Davon darf man sich nicht entmutigen lassen – man muss seine Ziele stringent im Blick behalten.
Welches der von Ihnen bislang betreuten Forschungsprojekte hat Sie am meisten begeistert und warum?
Fabian Westhauser: Aktuell fasziniert mich ein von der Deutschen Krebshilfe gefördertes Kooperationsprojekt, das sich mit dem möglichen Einsatz von bioaktivem Glas als Therapiealternative zur Behandlung von Knochendefekten beschäftigt, die durch Riesenzelltumoren des Knochens versursacht wurden. Die tumorbedingten Defekte werden nach chirurgischer Ausräumung meist mit Knochenzement aufgefüllt, der lebenslang im Knochen verbleibt, ohne eine Heilung des Knochendefekts zu ermöglichen. Gleichzeitig verbleibt die Rezidivrate in einem überwiegend jungen Patientenkollektiv unbefriedigend hoch. Bioaktive Gläser könnten möglicherweise beide Probleme lösen, da diese in der Zellkultur gegenüber Tumorzellen selektiv zytotoxisch wirken: Unsere Versuche haben gezeigt, dass die Stromazellen des Riesenzelltumors sehr sensibel auf die Anwesenheit der Gläser reagieren und den Glaskontakt nicht überleben, während die zur Knochenregeneration notwendigen Knochenvorläuferzellen durch die Anwesenheit der Gläser nicht geschädigt werden und sogar mit einer Steigerung der Vitalität reagieren. Gleichzeitig lösen die Gläser in den Knochenvorläuferzellen weiterhin die bekannten Differenzierungsprozesse aus, die zur Knochenregeneration führen. Bioaktive Gläser könnten also dazu beitragen, die Rezidivraten durch gezielte Schädigung der Tumorzellen zu mindern und gleichzeitig die entstandenen Knochendefekte biologisch zu rekonstruieren – mit dem Ziel einer vollständigen Knochenregeneration.
Wie vereinbaren Sie Forschung und Familie miteinander?
Fabian Westhauser: Ich habe großes Glück, dass meine Frau sehr viel Verständnis für mein wissenschaftliches Engagement aufbringt. Durch gemeinsame Planung gelingt uns eine ausgewogene Balance zwischen Arbeit und Freizeit.