Gute wissenschaftliche Praxis
Wie stellen Wissenschaftler sicher, dass Publikationen ethisch und rechtlich korrekt verfasst sind? Was ist hinsichtlich Nutzungsrechten, Abbildungen, Zweitpublikationen und Autorenschaft zu beachten? Der DGOU-Ausschuss Wissenschaft und Forschung hat hierzu einen Leitfaden zur guten wissenschaftlichen Praxis bei der Planung, Durchführung und Publikation von Studien herausgegeben und im November 2018 aktualisiert.
Grundsätzlich gilt: Jegliche Form des Verfälschens von Daten, etwa durch Streichen unerwünschter Ergebnisse, ist Wissenschaftsbetrug. Auch die Verletzung geistigen Eigentums zählt dazu. Das betrifft die unerlaubte, urheberrechtswidrige Nutzung oder das Verfremden von Abbildungen ebenso wie das Zitieren von eigenen oder fremden Texten. Zudem ist zu beachten, dass nur diejenigen als Autoren einer Publikation genannt werden, die einen wesentlichen Beitrag zu der wissenschaftlichen Arbeit geleistet haben. Dagegen reichen für eine Autorenschaft beispielsweise die Leitung der Einrichtung, in der die Publikation entstanden ist, oder die organisatorische oder technische Unterstützung sowie die Überlassung von Daten nicht aus.
Wenn eine Abbildung, die bereits publiziert wurde, zum Beispiel in einem eigenen Fachartikel, Buchkapitel oder einer Präsentation integriert werden soll, muss der Ursprung der Abbildung bestimmt werden. Dies ist zum einen für das korrekte Zitieren erforderlich, zum anderen ist es nur so möglich, die für die Veröffentlichung in der eigenen Publikation benötigten Rechte einzuholen.
Im zweiten Schritt gilt es, die Nutzungsrechtean der Abbildung zu identifizieren und mit den für das eigene Vorhaben benötigten Rechten abzugleichen. Anschließend können die benötigten Rechte beim Inhaber der Nutzungsrechte erbeten werden. Bei alledem ist darauf zu achten, dass der Inhaber der Quelle der Abbildung, beispielsweise der Verlag im Falle einer vorangegangenen Fachbuch- oder Zeitschriftenpublikation, nicht notwendigerweise Inhaber der erforderlichen Nutzungsrechte für die Zweitnutzung ist.
Diese können beim Urheber, also bei demjenigen, der die Abbildung oder das Foto tatsächlich angefertigt hat, liegen. Demnach wäre der Verlag nur die erste Anlaufstelle für die Rechteklärung. Von dort aus muss man sich ggf. weiterhangeln, um den Urheber, ggf. über weitere Stationen, ausfindig zu machen, damit man diesen um Erlaubnis zur Zweitnutzung bitten darf. Häufig wird übersehen, dass in manchen Fällen für die urheberrechtskonforme Verwendung der Abbildung die Angabe der Quelle (Verlag, Fachzeitschrift o.ä.) und die Nennung des Urhebers (Grafiker, Fotograf, Kollege o.ä.) erforderlich sind. Dies sollte im Rahmen der Rechteklärung mit erfragt werden.
Im Rahmen der Rechteklärung ist auch darauf zu achten, dass man die Publikationserlaubnis für die richtige Nutzungsart erhält. So wird urheberrechtlich etwa zwischen einer Publikation in Zeitschriften, in Fachbüchern und in Online-Diensten unterschieden, die sich abermals auf verschiedene Dienste herunterbrechen lassen (Websites, Apps, Social Media etc.): Wer die Rechte für eine Zeitschriftenpublikation erworben hat, darf die betreffende Abbildung nicht automatisch für das Online-Pendant des Mediums verwenden.
Nicht selten wird der Versuch unternommen, die dabei anfallende Arbeit zu umgehen, indem eine Abbildung übersetzt, ergänzt, nur ausschnittsweise verwendet, gespiegelt oder farblich verfremdet wird. Dies alles reicht jedoch nicht aus, um ein eigenes Werk zu schaffen und die Notwendigkeit einer Nutzungsrechteinholung und des Zitierens des Originals zu umgehen. Davon ist abzuraten. Die Verfremdung ist in der Regel nicht nur eine unerlaubte Vervielfältigung, da sie auf einer Kopie des Originalwerks basiert, sondern auch noch eine Bearbeitung, die ohne Zustimmung des Urhebers nicht gestattet ist. Es besteht die Gefahr einer gleich doppelten Urheberrechtsverletzung mit verschärften Konsequenzen.
Wenn im Rahmen der Diagnostik oder Behandlung Aufnahmen (Röntgen, Ultraschall, CT, MRT usw.) erstellt wurden und die Urheberschaft für die Aufnahmen in der Praxis bzw. Klinik anzusiedeln ist, ist eine Veröffentlichung entsprechender Aufnahmen nur dann rechtlich zulässig, wenn das Bild vollständig anonymisiert wurde, so dass selbst das engste Umfeld des Patienten diesen nicht zu identifizieren vermag (beispielsweise durch Tattoos, Muttermale, Körperformen, Kleidung), oder aber der Patient hat ausdrücklich der beabsichtigen Veröffentlichung zugestimmt. Grundlage hierfür ist das Recht am eigenen Bild gemäß § 22 Kunsturhebergesetz (KUG) sowie die darauf basierende Rechtsprechung.
Seit Mai 2018 sind zusätzlich die verschärften Anforderungen für die Einholung von Einwilligungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu beachten. Patientendaten sind so genannte besondere Kategorien von Daten im Sinne des Artikels 9 DSGVO, die jenseits der eigentlichen Heilbehandlung nur in äußersten Ausnahmefällen verarbeitet, also auch publiziert werden dürfen. Für die Wirksamkeit von Einwilligungen bestehen in diesem Bereich qualifizierte Voraussetzungen, bei denen unter anderem sehr konkret die betroffenen Daten und die Verarbeitungsformen zu benennen sind. Die Verwendung pauschaler Standardformulare verbietet sich daher. Die Einholung eines juristisch-fachlichen Rats, etwa im Justiziariat der Klinik oder der Universität, ist daher anzuraten.
Insbesondere in der Nutzung von eigenen Texten und Fremdtexten sind viele Szenarien vorstellbar, von denen wenige im Einklang mit gutem wissenschaftlichem Publizieren stehen, einige in einer Grauzone angesiedelt sind und viele unbedingt zu vermeiden sind. Zu Letztem zählen:
- Simultanes Einreichen
Zeitgleiches Einreichen einer Arbeit bei mehreren Journals ist gemäß der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors und nahezu aller Verlage nicht gestattet. Dies gilt auch für das Einreichen in verschiedenen Sprachen. - Doppelpublikation (Eigen-Plagiat)
Die nochmalige Publikation eigener Daten in einem zweiten Artikel ist in der Regel nicht gestattet. Dies gilt auch für Publikationen in verschiedenen Sprachen und für verschiedene Zielgruppen. Die meisten Verlage sehen dabei vorangegangene Präsentationen in einem Tagungs- oder Abstractband als unproblematisch an, zumindest eine Information über den Umstand ist aber empfohlen. - Salami-Publikation
Diese Spielart der Doppelpublikation ist dadurch gekennzeichnet, dass aus der eigenen Arbeitsgruppe bereits Publikationen existieren, die sich nur in Teilen von Hypothese, Methode und Ergebnissen unterscheiden . Zumeist werden dabei die Texte so modifiziert, dass automatische Plagiats-Erkennungs-Software nicht anschlägt. - Fremd-Plagiat
Unstrittig ist, dass die Nutzung von Texten, Abbildungen oder Konzepten Dritter unter eigenem Namen nicht nur ein moralisches Vergehen, sondern auch ein juristisches ist. Schon weit weniger klar ist, ab wann von einem solchen Fremd-Plagiat gesprochen werden muss bzw. wann noch von einer unterbliebenen Zitation ausgegangen werden darf. Hier geben die STM Guidlines einen kleinen Anhaltspunkt, da sie die kostenfreie Nutzung von bis zu 400 Wörtern aus einem Manuskript vorsehen. Aber schon in diesem Umfang ist es von entscheidender Bedeutung, ob die Redundanz im Bereich der Einleitung oder zum Beispiel im Ergebnisteil vorliegt. Bei einem Verdacht auf ein Fremdplagiat ist somit in jedem Fall eine Einzelprüfung erforderlich, die stets nur die Veröffentlichung, nicht aber die beteiligten Personen als Gegenstand haben sollte.
Vor allem durch den Einsatz von semi-automatischer Plagiats-Erkennungs-Software, aber auch durch das geschaffene Bewusstsein für die Plagiats-Problematik durch Fälle bundesweit bekannter Politiker, hat die Aufdeckung entsprechenden Fehlverhaltens im letzten Jahrzehnt stark zugenommen. Zudem haben sich einige anonym agierende Personen dem Aufdecken entsprechender Fälle gerade in der Medizin verschrieben. Letztlich mündete das Agieren anonymer Whistle-Blower in eine durch das Committee of Publishing Ethics (COPE) herausgegebenen Handlungsempfehlung für Verlage, wie mit entsprechenden Hinweisen umzugehen ist.
Unstrittig ist, dass Daten nicht manipuliert werden dürfen. In der Praxis kann aber auch das Weglassen von Daten einen ähnlichen Effekt haben. Sollte eine entsprechende Handlung bekannt werden, ist in jedem Fall die zuständige Institution (Universität, Forschungseinrichtung, Drittmittelgeber usw.) in Kenntnis zu setzen.
Eigentlich sollten sich Fragen zu Autorenschaften aus der unmittelbaren Teilhabe der Personen an dem konkreten Forschungsprojekt, der geschilderten Patientenversorgung und dem Verfassen des Manuskripts heraus beantworten. Im Alltag verführen persönliche Interessen oder die Praxis bei der Vergabe von Drittmitteln dazu, von den bekannten Voraussetzungen für eine Autorenschaft abzuweichen.
- Die DFG sagt dazu: „Autorinnen und Autoren wissenschaftlicher Veröffentlichungen tragen die Verantwortung für deren Inhalt stets gemeinsam. Autorin oder Autor ist nur, wer einen wesentlichen Beitrag zu einer wissenschaftlichen Veröffentlichung geleistet hat. Eine sogenannte Ehrenautorschaft ist ausgeschlossen.“ In den Erläuterungen heißt es dann unter anderem, dass daher für sich alleine folgende Beiträge nicht ausreichten, um eine Autorschaft zu rechtfertigen
- bloße organisatorische Verantwortung für die Einwerbung von Fördermitteln
- Beistellung von Standard-Untersuchungsmaterialien,
- Unterweisung von Mitarbeitern in Standard-Methoden,
- lediglich technische Mitwirkung bei der Datenerhebung,
- lediglich technische Unterstützung, zum Beispiel bloße Beistellung von Geräten, Versuchstieren,
- regelmäßig die bloße Überlassung von Datensätzen,
- alleiniges Lesen des Manuskripts ohne substanzielle Mitgestaltung des Inhalts,
- Leitung einer Institution oder Organisationseinheit, in der die Publikation entstanden ist.
- Das ICMJE empfiehlt als Voraussetzung für eine Mitautorenschaft 4 Kriterien, wobei alle von jedem einzelnen Autor separat erfüllt sein müssen:
- Substantieller Beitrag zur Konzeption der Arbeit, zur Akquise, Analyse und Interpretation der Daten
- Verfassen des Manuskripts oder kritische Revision des Manuskripts unter Einbringungen wesentlicher Inhalte
- Finale Freigabe des Manuskripts
- Übernahme der Verantwortung für das gesamte Manuskript
- COPE dagegen formuliert es deutlich freier und stellt fest: „There is no universally agreed definition of authorship, although attempts have been made... As a minimum, authors should take responsibility for a particular section of the study.“
Allen drei Institutionen ist gemein, dass eine reine Ehrenautorenschaft nicht erlaubt ist und der guten wissenschaftlichen Praxis nicht entspricht. In der Praxis stellt sich dies durchaus leider oftmals anders dar. Ebenso versteht sich, dass keine Erst- oder Seniorautorenschaft beansprucht werden darf, wenn die Publikation von einer anderen Person ausgearbeitet wurde. Auch dies fällt unter die Leitsätze der guten wissenschaftlichen Praxis.
- Ghostwriter
Auch die Mitwirkung eines Ghostwriters ist schon allein aus Sicht der Autorenschaft problematisch, eine Mitwirkung an der Manuskripterstellung ist daher abzulehnen. Die Leistung muss eigenständig erbracht werden. Das bedeutet aber nicht, dass prinzipiell die Mitarbeit eines ausschließlich Schreibenden abzulehnen ist. Sowohl bei der Zusammenfassung der Ergebnisse einer Präsenzveranstaltung als auch bei sprachlichen Unsicherheiten der Autoren mag es sinnvoll sein, Hilfestellung anzunehmen. Die Art dieser Hilfestellung sowie der Name der Person sind im Manuskript, zum Beispiel im Rahmen einer Danksagung zu benennen.
Die wissenschaftliche Selbstverwaltung sollte die Aufgabe wahrnehmen, schlechter wissenschaftlicher Praxis nachzugehen. Die Universitäten haben in ihren Satzungen entsprechende Ausführungen zu guter wissenschaftlicher Praxis aufgenommen und verfolgen Fehlverhalten. Bei Feststellung eines Fehlverhaltens kann dies zu disziplinarischen, arbeitsrechtlichen Maßnahmen sowie zur Weiterleitung des Sachverhaltes an Strafbehörden reichen.
In der Praxis kann diese Selbstverwaltung aber auch zu Interessenkonflikten der zuständigen Ethikkommission führen, da ihre Entscheidungen unmittelbaren Einfluss auf die Reputation der Einrichtung haben, durch die sie eingesetzt worden ist. Der Wunsch nach Aufarbeitung von wissenschaftlichem Fehlverhalten tritt somit unmittelbar in Konflikt mit dem Wunsch, Schaden von der eigenen Institution abzuwenden. So kam beispielsweise ein Gutachten einer universitären Ethikkommission zu dem Schluss, dass zwar von einem Plagiat gesprochen werden kann, sich daraus aber keine Täuschungsabsicht ableiten lasse.
Wissenschaftsverlage agieren international und treten in Kontakt mit Autoren, deren rechtliches und ethisches Empfinden durch nationales Recht und die eigene Kultur geprägt ist. Dies mündet darin, dass die Beurteilung, was gute wissenschaftliche Praxis ist und wo von Fehlverhalten gesprochen werden muss, oft auf Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners getroffen werden muss. Institutionen wie COPE und dem ICJME kommt hier eine große Bedeutung zu, da sie anstreben, einen weltweiten Konsens zu finden und zu verbreiten.
Aktuell existiert keine standardisierte Kommunikationsstrategie zwischen Universitäten, Forschungseinrichtungen, Verlagen und zum Beispiel der DFG, wie mit konkret nachgewiesenem Fehlverhalten umzugehen ist. Wer informiert wird und wann dies geschieht, ist eine Einzelfallentscheidung, ebenso die Konsequenzen für die Beteiligten, denen ein Fehlverhalten nachgewiesen wird.