Dr. Henriette Bretschneider und PD Dr. Stefan Zwingenberger im Porträt


"Mit Begeisterung, Teamarbeit und Ausdauer zum Erfolg"

Wieviel Prozent Ihrer Tätigkeit wenden Sie für Klinik bzw. Forschung auf?

Henriette Bretschneider und Stefan Zwingenberger: Wir sind beide als Ärzte im OUPC angestellt. Projektgebunden gibt es Forschungszeiten während des Klinikalltags, auch Freistellungen über einen längeren Zeitraum im Rahmen des Clinical Scientist-Programmes (Gerok-Stelle) sind möglich. Zusätzlich wird ein Großteil vor allem der wissenschaftlichen Datenaufarbeitung und publikatorischen Tätigkeiten außerhalb der Regelarbeitszeiten am Abend und an Wochenenden durchgeführt.

Warum haben Sie sich dafür entschieden, wissenschaftlich tätig zu sein? Was begeistert Sie an der Forschung?

Henriette Bretschneider und Stefan Zwingenberger: Wir waren bereits im Studium forschungsbegeistert. Diese Begeisterung ist durch die Promotionsarbeit gewachsen. Wir hatten die Möglichkeit eigene Projekte in einem hervorragenden Team in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Translationale Knochen-, Gelenk- und Weichgewebeforschung umzusetzen. Dabei liegt der Schwerpunkt unserer Forschungsgruppe im Bereich des Tissue-Engineerings zur Knochenregeneration. Wir haben hier am Standort die Möglichkeit, Projekte von ersten in vitro-Versuchen bis hin zum Großtiermodell und klinischen Studien zu realisieren und damit den translationalen Schritt von „bench to bedside“ zu gehen, was uns besonders fasziniert und motiviert.

Was möchten Sie langfristig mit Ihrer Forschung erreichen? Was ist Ihr „großer Plan“?

Henriette Bretschneider und Stefan Zwingenberger: Kritische Knochendefekte entstehen als Folgezustände zumeist durch traumatischen, infektions- oder tumorbedingten, segmentalen Knochenverlust und stellen ein rekonstruktiv/regenerativ bislang ungelöstes therapeutisches Problem dar. Sie sind für Patienten mit langen, wiederholten stationären Aufenthalten verbunden und verursachen Schmerzen und Immobilität. Wir versuchen auf verschiedenen Wegen die Knochenregeneration zu verbessern, zum Teil unter ungünstigen metabolischen Umständen, wie Infektionen, Osteoporose oder Diabetes. Des Weiteren wird versucht, die Osteointegration von Implantaten zu optimieren. Jegliche Experimente dienen dabei dem Ziel, die Patientenversorgung zu verbessern und durch die Behandlung der Knochendefekte den Patienten eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.

Wie können Ihrer Meinung nach mehr klinische Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen zur eigenen Forschung begeistert werden?

Henriette Bretschneider und Stefan Zwingenberger: Für den Einstieg in die Forschung ist ein gutes Team eine wichtige Grundvoraussetzung. Forschung und neue Ideen benötigen allerdings auch Zeit. Für Doktoranden haben sich ein oder zwei Freisemester bewährt. Für junge forschende Kollegen eine Forschungsrotation, oder auch ein Auslandsaufenthalt. Da wir unsere Projekte teilweise in internationalen Kooperationen durchführen ist es absolut sinnvoll, sich auch mit diesen internationalen Projektpartnern zu treffen und auszutauschen. Hierfür reisen wir nach Schweden oder zu den Jahrestagungen der Orthopaedic Research Society in die USA und ermöglichen unseren Nachwuchswissenschaftlern teilzunehmen und ihre Projekte zu präsentieren.

Welche Herausforderungen / Hindernisse mussten Sie überwinden, um Forschung zu betreiben, und was raten Sie dem wissenschaftlichen Nachwuchs?

Henriette Bretschneider und Stefan Zwingenberger: Wir empfehlen, sich Partner und Mentoren zu suchen und Anschluss an bestehende Arbeitsgruppen zu erlangen, die bereits Forschungserfahrung haben und einen gewissen Erfolg aufweisen. Ein erfolgreiches wissenschaftlichen Projekt muss von Anfang an gut geplant und dann konsequent verfolgt, betreut und umgesetzt werden. Wer nicht über das normale Maß des klinischen Alltages hinaus bereit ist, selbst Mühe, Fleiß, Geduld und vor allem Zeit zu investieren wird kaum erfolgreich sein. Man sollte die eigenen Ziele und Visionen verfolgen, sich von insbesondere am Anfang der Karriere abgelehnten Projektanträgen nicht entmutigen lassen und kontinuierlich in einem erfahrenen und interdisziplinären Team Austausch suchen. Bei aller Begeisterung für wissenschaftliche Projekte muss man aber darauf achten fokussiert zu bleiben und nicht zu viele Projekte gleichzeitig zu beginnen, da sonst die Gefahr besteht, dass man entweder in diesen Einzelvorhaben viel zu langsam Fortschritte erlangt oder sogar keines zum Abschluss gebracht wird.

Welches der von Ihnen bislang betreuten Forschungsprojekte hat Sie am meisten begeistert und warum?

Henriette Bretschneider: Tierexperimentelle Projekte haben mich am meisten begeistert. Zu sehen, ob die in vitro-Ergebnisse sich auch in vivo bestätigen und welche Optimierungen gegebenenfalls notwendig sind, ist immer wieder spannend und herausfordernd.
Stefan Zwingenberger: Mich begeistert, wenn ganz einfach anwendbare neue Techniken eine relevante Verbesserung oder neue Erkenntnis gegenüber dem bisher vorhandenen Wissenstand ergeben. Wir fanden zum Beispiel im Tiermodell eine viel bessere Knochendefektheilung durch die Kombination des Wachstumsfaktors BMP-2 mit dem Bisphosphonat Zoledronsäure. In einer klinischen Studie konnten wir zeigen, dass Patienten mit Tibiakopffrakturen einen signifikanten Benefit von einer zusätzlichen häuslichen Motorschienenbehandlung haben.

Welchen Stellenwert nimmt nach Ihrer Ansicht die Forschung in O und U ein?

Henriette Bretschneider und Stefan Zwingenberger: Im klinischen Alltag kommt die konsequente Durchführung von Forschung und Wissenschaft mit der durchweg hohen klinischen Arbeitsbelastung und Präsenz im OP regelmäßig in einen ernsthaften Interessenskonflikt. Dabei basieren praktisch alle unsere klinischen Standards und Entscheidungen mit direkten Auswirkungen auf das Patientenwohl auf der Evidenz klinischer Studien. Ausgehend von derartigen Studien ändern sich kontinuierlich die Standards und es sollte für Orthopäden und Unfallchirurgen eine Motivation sein, zur Weiterentwicklung unseres Fachgebietes beizutragen.
Die allermeisten Innovationen in unserem Fachgebiet sind in Forschungslaboren und durch klinische Studien an Unikliniken entwickelt worden. Je mehr Beispiele man davon kennt, desto motivierter ist man, seine eigenen Ideen umzusetzen.
Es gibt in der Orthopädie und Unfallchirurgie noch unzählige Krankheitsbilder, bei denen die aktuellen diagnostischen und therapeutischen operativen aber auch konservativen Behandlungsmethoden unvollkommen sind und nicht ideal wirken. Wir denken hier unter anderem an Skolioseoperationen bei Kindern oder die Korsettbehandlung. Auch wenn sehr erfolgreich durchgeführt, ist der endoprothetische Gelenkersatz möglicherweise noch nicht die letzte Entwicklung zur Behandlung der Arthrose. Während Operationsmethoden schon recht ausgereift erscheinen, steckt die Entwicklung biologischer Behandlungsansätze für viele orthopädisch-unfallchirurgische Krankheitsbilder erst in den Kinderschuhen und wird möglicherweisen in den kommenden Jahrzehnten wegweisend für neue Verbesserungen in der Behandlung sein.

Wie vereinbaren Sie Forschung und Familie miteinander?

Henriette Bretschneider und Stefan Zwingenberger: Ein sehr gutes Zeitmanagement und Selbstorganisation sind auf jeden Fall erforderlich, um Familie, Klinik und Forschung zu vereinbaren.
Henriette Bretschneider: Ich hatte die Möglichkeit, während meiner Facharztweiterbildung für die Forschung freigestellt zu sein. Davon habe ich sehr profitiert. Aktuell habe ich eine 75%-Stelle, um noch Zeit für meine Familie und Kinder zu haben.
Stefan Zwingenberger: Für mich ist die Zeit mit meinen Kindern, meiner Frau und unserem Hund eine wunderbare Möglichkeit, um mich vom klinischen Alltag und dem damit verbundenem Stress zu erholen. Zu meinem einjährigen Forschungsaufenthalt in den USA reiste ich mit der ganzen Familie; das war auch für unsere große Tochter, die ein Jahr die Elementary School in Mountain View/Kalifornien besuchte, ein großartiges und prägendes Erlebnis. Ein kurzer Weg zur Arbeit, der möglichst mit dem Fahrrad zurückgelegt wird, spart Zeit und hält körperlich fit. Die Zeit nach dem Abendessen verbringe ich möglichst mit den Kindern und bringe sie zu Bett. Ab 21 Uhr beginnt dann noch einmal meine wissenschaftlich kreative Phase.

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